Wenn Sie einen neuen Reinigungsservice für Ihr Büro suchen, verlangen Sie dann erst mal drei Wochen kostenloses Pitch-Probeputzen? Von einem fünfköpfigen Team, das Überstunden schiebt und den sauberen Boden bei Gefallen im Anschluss eventuell gegen Bezahlung weiter schrubben darf? Nein? Ich auch nicht. Für den Reinigungsservice wäre es wirtschaftlich wenig sinnvoll, und ich käme mir ehrlich gesagt blöd dabei vor.
Genauso wie bei Restaurants, wo ich nicht kostenlos zur Probe essen gehen kann oder Werkstätten, die sich bedanken werden, wenn ich meinen Wagen mal kostenlos zur Probe reparieren lassen möchte.
Ein gelungener Pitch ist keine Garantie für eine gute Zusammenarbeit
Komischerweise gilt das nicht selbstverständlich für Werbeagenturen. Und auch wenn man eine Agentur nicht eins zu eins mit einem Reinigungsservice (oder einem Restaurant oder einer Werkstatt) vergleichen kann, gibt es trotzdem Parallelen. Und sei es nur die Wirtschaftlichkeit.
Denn es gibt (im Extremfall) immer noch Pitch-Anfragen von Kunden für kleine und/oder unklare Budgets mit zahlreichen Pitch-Teilnehmern bei gleichzeitiger Abtretung der Rechte an der kreativen Arbeit bei kleiner oder unter Umständen komplett fehlender Bezahlung. Warum sind immer noch so viele Agenturen bereit, dieses Spiel mitzumachen?
Alleine in Düsseldorf gibt es 900 Agenturen. Kein Marketingleiter dieser Welt kann da den Überblick behalten.
So findet der Kunde die ideale Agentur für sich
Idealerweise definiert der Kunde deshalb im ersten Schritt, was für eine Agentur er genau sucht, damit er nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Kriterien sind zum Beispiel Größe, Standorte, Ansprechpartner, Kompetenzen in bestimmten Kommunikationsdisziplinen, bestehende Kunden, Kosten, regionale Verankerung oder spezielle Marktkenntnisse. Dann ist der Markt schon deutlich überschaubarer. Helfen können hier Empfehlungen anderer Marketingleiter (wir nennen Ihnen gerne welche), sogenannte Pitchberater oder Plattformen wie agenturmatching.de.
Im zweiten Schritt sollte der Kunde mit seinen wichtigsten Mitarbeitern die Agentur besuchen, die Führungskräfte und das operative Personal kennenlernen, den Spirit der Agentur fühlen und die Vorstellungen der Zusammenarbeit, Kosten und guter Kommunikation abgleichen. Chemistry Meeting heißt das in Neudeutsch. Und ist in meinen Augen der wichtigste Part eines Auswahlprozesses, um den richtigen Agenturpartner zu finden.
Hat der Kunde seine Favoriten gefunden, gibt es drei Wege für den nächsten Schritt
- Kunde und Agentur machen gemeinsam einen (bezahlten) Workshop. Alle relevanten Entscheider auf Kunden- und Agenturseite nehmen daran teil. Thema des Workshops kann beispielsweise die Überprüfung der Markenpositionierung im Wettbewerbsumfeld sein.
- Der Kunde beauftragt die Agentur mit einem konkreten Projekt. Das sollte ein in sich abgeschlossenes und überschaubares Projekt sein, um die Zusammenarbeit zu testen und um zu sehen, wie die Agentur funktioniert.
- Ein Pitch. Nein, ich bin kein Freund davon. Aber er lässt sich bei manchen Unternehmen oder Institutionen aus Compliance-Gründen gar nicht vermeiden. Da die Erfahrungen aus den zahlreichen Pitches der letzten Jahre durchaus unterschiedlich sind (um es mal vorsichtig auszudrücken), haben wir bei Kunst und Kollegen für Pitch-Anfragen eine interne Checkliste angelegt, um zu entscheiden, ob wir an einem Pitch teilnehmen.
Anhand dieser Kriterien entscheiden wir, ob wir an einem Pitch teilnehmen, oder nicht
- Wie viele Agenturen nehmen am Pitch teil? Mehr als vier?
- Wer sind die Agenturen? Was zeichnet sie aus?
- Ist die bestehende Agentur mit im Rennen? Wenn nein, warum ist sie raus?
- Aus welchen Gründen wird der Etat ausgeschrieben?
- Können wir persönlich vor den Entscheidern präsentieren?
- Gibt es ein vernünftiges Briefing?
- Wie groß ist das Budget? Steht es in Relation zum Aufwand der Pitchaufgabe?
- Wieviel Zeit haben wir für die Ausarbeitung?
- Wie lange ist die Zusammenarbeit angelegt?
- Und zu guter Letzt natürlich: Gibt es ein angemessenes Pitchhonorar und später eine faire Bezahlung unserer Tätigkeit?
Nimmt der Kunde das als Basis, dann kann auch ein Pitch ein gangbarer Weg sein.
Wir Agenturen verkaufen Creative Business Intelligence
Nachdem wir kürzlich mal von einem Pitch zurückgetreten sind, weil wir für ein überschaubares Honorar alle Rechte an der geforderten strategischen und kreativen Arbeit abtreten sollten, wurde uns vorgeworfen, „wir hätten es wohl nicht nötig“. Das ist Quatsch. Zumal es ein spannender Kunde war. Aber wir Agenturen haben nur ein Gut, das wir verkaufen können. Creative Business Intelligence. Das unterscheidet uns von unseren Kunden. Und übrigens auch von Unternehmensberatungen. Deshalb werbe ich für transparente und faire Verfahren bei der Agenturauswahl wie oben beschrieben.
Denn so oder so gilt: Das Ziel eines Auswahlprozesses ist es sowohl für den Kunden als auch für die Agentur, den richtigen Partner zu finden, mit dem man langfristig erfolgreich und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Alles andere macht in unserer komplexen und technisch anspruchsvollen Kommunikationswelt und der mittlerweile redaktionellen Arbeitsweise der Agenturen keinen Sinn.